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Die Person – Engagiert für die Chancengleichheit

Die neue Rubrik stellt Persönlichkeiten vor, die sich für die Chancengleichheit engangieren. Erstmals startet das Format mit dem Newsletter im Mai 2023 und wird laufend erweitert. 

Katarina Stigwall

Wie kam es dazu, dass du dich beruflich gegen Rassismus und Diskriminierung einsetzt?

Bevor ich in die Schweiz kam, habe ich in Schweden im Bereich der Menschenrechte gearbeitet, mit Schwerpunkt auf Gleichstellung und Frauenrechten. Als Politikwissenschaftlerin konzentrierte ich mich hauptsächlich auf die Entwicklung von Politik und sozialen Strukturen. Dabei fand ich mich immer etwas zu weit weg von den Menschen, die im Mittelpunkt dieser Politiken stehen. In St.Gallen hatte ich die Möglichkeit, einen neuen beruflichen Schwerpunkt zu setzen und näher an die Themen heranzukommen, die unsere Gesellschaft prägen. Es ist ein Privileg, Menschen, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind, dabei zu unterstützen, ihre Stimme zu finden und eine Plattform und ein Mandat zu haben, um Ungerechtigkeit zu bekämpfen.

 

Wie haben sich die Fallzahlen in den letzten Jahren entwickelt?

Nicht nur in der Ostschweiz, sondern auch auf nationaler Ebene nehmen die Meldungen über rassistische Diskriminierung stark zu. Ich glaube nicht, dass dies bedeutet, dass unsere Gesellschaft zunehmend rassistisch ist, sondern vielmehr, dass wir offener über diese Themen diskutieren und dass es ein neues Bewusstsein für unsere Rechte gibt, unsere Stimme zu erheben und aktiv zu werden. Eine interessante Tendenz im Laufe der Zeit ist jedoch, wie sich die Ausdrucksformen rassistischer Diskriminierung verändern, ebenso wie die Menschen, die davon betroffen sind. Wir können deutlich sehen, wie sich Veränderungen in der Welt, zum Beispiel die Unruhen im Nahen Osten, auf den sozialen Diskurs hier in der Schweiz auswirken. So haben wir in letzter Zeit eine Zunahme von Fällen im Zusammenhang mit Antisemitismus festgestellt.

 

Welche Motive stecken hinter Rassismus und Diskriminierung?

Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn es gibt nur wenige absolute Wahrheiten in Bezug auf rassistische Diskriminierung. Eine diskriminierende Erfahrung ist sehr individuell. Das ist der Grund, warum etwas, das für mich unproblematisch ist, für dich herabsetzend fühlen kann – du hast andere Perspektiven und hast andere Erfahrungen gemacht, als ich es habe. Wir bekommen zwar Meldungen an die Beratungsstelle, wo es ein ganz klares Motiv der Feindlichkeit gibt und wo Menschen verheerenden Vorurteilen und Ausgrenzung ausgesetzt sind. Ich denke, dass in diesen Fällen ein starkes Gefühl der Ablehnung und des Widerwillens vorhanden ist, etwas zu akzeptieren, was uns nicht vertraut ist, was wir als fremd empfinden. Im Alltag hingegen glaube ich nicht, dass wir einander verletzen wollen, aber wir können dennoch aus Angst oder Unwissenheit unbewusst handeln.

 

Wo wäre mehr Sensibilisierung nötig?

Ich denke überall. In der Beratungsstelle konzentrieren wir uns auf diskriminierende Strukturen und versuchen, Arbeitsplätze, Behörden und soziale Einrichtungen zu unterstützen, denen es oft an einem Handlungskonzept und einer klaren Haltung in Sachen rassistischer Diskriminierung fehlt. Aber wenn es um Sensibilisierung geht, müssen wir wohl bei uns selbst anfangen: Was ist unser Ausgangspunkt, um die Welt um uns herum zu betrachten? Vielleicht müssen wir unseren eigenen Horizont überprüfen und die Bilder, die wir mit uns herumtragen, hinterfragen? Am liebsten mag ich es, wenn ich denke, dass ich alles verstanden habe und weiss, was mich erwartet, und dann kommt jemand daher, der meine Vorurteile in Frage stellt und mich dazu bringt, meine Sichtweise zu ändern. Selbsterkenntnis ist nicht immer schmerzfrei, aber notwendig und eine wunderbare Gelegenheit, um zu wachsen.

 

Wo begegnest du Chancengleichheit in deinem (Arbeits-)Alltag?

Bei der Arbeit der Beratungsstelle ist es natürlich unvermeidlich, dass wir auf Fragen der Ungerechtigkeit und Ausgrenzung stossen. Ich denke, es ist wichtig, diese Erfahrungen nicht unsere Sichtweise bestimmen zu lassen, sondern all die Begegnungen und Gespräche zu sehen, in denen Menschen gemeinsam Lösungen und Zusammengehörigkeit finden. Es gibt so viel Engagement und so viele Menschen, die sich für ein starkes und inklusives Gemeinwesen einsetzen. Ich habe das Glück, ihnen auch in meinem Arbeitsalltag zu begegnen!

 

Was macht dich glücklich?

Dass ich jeden Tag nach Hause zu meiner Familie kommen kann, wo wir alles haben, was wir brauchen – und wenn ich dann noch einen freien Sonntag im Schrebergarten verbringen kann, dann ist das Leben wirklich schön!

 

Was ärgert dich?

Ich ärgere mich manchmal extrem über Berichte, die wir an die Beratungsstelle bekommen. Ich begreife einfach nicht, warum es so schwierig ist, respektvoll miteinander umzugehen! Dann habe ich das Gefühl, dass ich die Welt überhaupt nicht verstehe, wenn wir uns mit unseren Nachbarn streiten und Menschen ausgrenzen. Was für eine Gemeinschaft schaffen wir dann? Zum Glück verwandelt sich dieses Gefühl dann meisten in den Wunsch, etwas dagegen zu tun, Ärger kann ein ziemlich guter Antrieb sein!

 

Du hast einen Wunsch frei, der die Welt verändert. Was würdest du dir wünschen?

Dass wir alle den Mut finden, unsere Stimme zu erheben – gegen korrupte Strukturen, gegen soziale Ungleichheit und gegen die nicht wirklich lustige, irgendwie rassistische Bemerkung an der Kaffeemaschine am Arbeitsplatz!

Elena Grob

Was hat die Mobile Sozialarbeit Herisau in diesem Jahr besonders bewegt? Und weshalb?
Es sind die Momente mit den Besucherinnen und Besuchern des Gemeinschaftszentrums sowie ihre persönlichen Geschichten und Erzählungen, welche am meisten bewegen. Während unseren regulären Öffnungszeiten finden viele Gespräche über verschiedene Themen aus dem Alltag der Besucherinnen und Besucher statt. Dies sind einerseits bedrückende Themen wie der Krieg im eigenen Land, die selbst erlebten Erfahrungen von Flucht und Vertreibung, die Angst und Ungewissheit und die damit verbundene Ohnmacht wegen des Nichteintretens der Asylentscheide. Aber auch erfreuliche Themen wie die Freude über einen bestandenen Deutschtest, das Finden einer Arbeitsstelle oder positive Asylentscheide. Tolle Momente erleben wir auch immer in den Schulferien, in welchen wir ein spezielles Programm anbieten. Besonders war beispielsweise der Ausflug ins Kino im Herbst oder das Eislaufen im Frühjahr. Für viele Besucherinnen und Besucher war es das erste Mal im Kino und sie sind auch noch nie auf Schlittschuhen gestanden. Diese Ausflüge sind Highlights, über welche in unserem Gemeinschaftszentrum auch heute noch oft gesprochen wird.

 

Wo trifft man dich, wenn du nicht bei der Arbeit bist?
Das ist sehr unterschiedlich und oftmals auch wetterabhängig. In schönem Wetter bin ich sehr gerne draussen unterwegs, gehe spazieren, meine Familie besuchen oder treffe Freunde in der Stadt. Bei schlechtem Wetter bleibe ich lieber Zuhause und lese ein Buch oder schaue einen guten Film. Einmal in der Woche hüte ich mein «Gottimeiteli», um eine vertrauensvolle Bindung mit ihr aufzubauen und meine Schwester zu entlasten.

 

Was bedeutet Chancengleichheit für dich?
Es geht darum, dass niemand wegen seiner sozialen Herkunft, seiner Hautfarbe, seines Geschlechts, seiner Religionszugehörigkeit oder wegen anderer Merkmale im Vor- oder Nachteil sein sollte. In all jenen Bereichen und Situationen des gesellschaftlichen Lebens, in denen Ressourcen, Positionen oder Lebensverhältnisse begehrt und knapp sind und daher Menschen um diese konkurrieren, sollen alle die gleiche Chance bekommen. Im alltäglichen Leben sehen wir natürlich, dass wir von einer Chancengleichheit noch weit entfernt sind. Gerade in der Schweiz wird Reichtum und Armut oftmals vererbt und es ist sehr schwierig den vererbten sozialen Status zu verändern.

 

Was macht dich glücklich?
Meine sozialen Beziehungen und Netzwerke, in denen ich mich wohl, zugehörig und aufgehoben fühle. Aber auch meine persönliche Freiheit sowie die Selbstbestimmung, die ich besitze und die in der Schweiz möglich ist, macht mich glücklich.

 

Was ärgert dich?
Ärgerlich finde ich die Stapel an Werbezeitschriften und Parteiblättern, welche sich in meinem Briefkasten trotz dem «Keine Werbung»-Kleber ansammeln. Ebenso mag ich den Lärm des Verkehrs nicht. Deshalb bin ein Fan von Begegnungszonen in den Stadt- und Dorfzentren, wo ich Geräusche von spielenden Kindern, lachenden Menschen und zwitschernden Vögeln hören kann.  

 

Du hast einen Wunsch frei, der die Welt verändert. Was würdest du dir wünschen?
Ich glaube, dass man mit Bildung vieles erreichen kann und würde mir daher gleiche Bildungschancen für alle Kinder wünschen, unabhängig vom sozialen Status des Elternhauses, der Nationalität oder des Geschlechts. Der Zugang zum Bildungssystem sollte für alle sozialen Schichten gleich sein.
 

Über welche Themen sprechen wir gesellschaftlich in zwanzig Jahren?
Ich denke Themen wie Migration, Umwelt und die Veränderungen in der Arbeitswelt durch die Digitalisierung werden uns auch in zwanzig Jahren noch beschäftigen. Auch Chancengleichheit allgemein und die Gleichstellung der Geschlechter werden uns als Gesellschaft bestimmt noch einige Jahrzehnte begleiten.

Markus Meitz

Welche Projekte aus deiner Abteilung haben dich besonders bewegt? Und weshalb?
Das ist keine einfache Frage, denn wir arbeiten an unterschiedlichen Themen. Im Speziellen engagieren wir uns für die psychische Gesundheit, gesunde Ernährung und in der Suizidprävention. Mit einem Blick zurück kann ich sagen, dass auch uns die Corona-Zeit im Bereich der psychischen Gesundheit sehr gefordert hat. Die Abteilung Gesundheitsförderung unterstützt und stärkt die psychische Gesundheit der Ausserrhoder Bevölkerung mit diversen Massnahmen – dies auch schon vor Corona. Gesundheitsförderung war schon immer wichtig. Der Ausbruch der Pandemie gab diesem Thema einen deutlichen Auftrieb. Wir entwickelten aus der bereits lancierten «Wie geht’s dir?»-Kampagne neue und eigene kantonale Produkte. Damit versorgten wir alle Schulen und Institutionen, welche mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Wir handelten im Krisenmodus so rasch wie möglich. Darauf sind wir heute stolz. Noch heute erhalten wir dazu viele schöne Feedbacks.

 

Wo trifft man dich, wenn du nicht bei der Arbeit bist?
Je nach Arbeitstag an unterschiedlichen Orten. Mal auf der Strasse mit dem Motorrad, beim Joggen im Rehwald in Flawil oder mindestens einmal im Jahr im Nordosten Spaniens auf dem Ebro-Fluss beim Angeln. Alle Orte eigenen sich wunderbar zum Abschalten und als Ausgleich zum Tagesgeschäft. Dabei kann ich auftanken und achtsam geniessen.

 

Was bedeutet Chancengleichheit für dich?
Als Sozialarbeiter kenne ich einige Herausforderungen von Chancengleichheit sehr gut. Ich bin immer wieder erstaunt, dass es uns mit dem heutigen Wissen und Können nicht gelingt, für mehr Chancengleichheit unter Menschen zu sorgen. Wir fliegen auf den Mond, entwickeln künstliche Intelligenzen, bauen Häuser aus dem 3D-Drucker etc. und dennoch dominiert je nach Ort und Situation ein Krieg, die Diskriminierung oder sonstige Verbote. Die eigene Herkunft oder der Moment kann persönlich unterdrücken oder lebensbedrohlich wirken. Obwohl alle Menschen die gleichen Lebenschancen haben sollten, ist die Realität eine andere.

 

Was macht dich glücklich?
Ich glaube, wer das Glück sucht, wird es nicht finden. Wer sich selbst findet, wird glücklich werden. Ich versuche immer wieder glückliche Momente zu erkennen, das macht mich glücklich. Unser Leben findet jetzt statt und nicht gestern oder morgen. Aber es bleibt auch für mich täglich eine Herausforderung, dies zu erkennen.

 

Was ärgert dich?
Parkbussen ärgern mich besonders. Kürzlich kam dies gleich zwei Mal hintereinander vor. Ich war aufgrund eines Sitzungstermins nicht rechtzeitig beim Auto oder habe vergessen die Parkuhr zu stellen – ärgerlich… Auch habe ich kürzlich meinen Autoschlüssel im Auto eingeschlossen. Im Moment selber sind solche Situationen tragisch. Aber etwas später eine Geschichte zum Schmunzeln wert.

 

Du hast einen Wunsch frei, der die Welt verändert. Was würdest du dir wünschen?
Als Kind haben wir uns immer gesagt: Ich wünsche mir, dass ich für immer einen Wunsch frei habe. Aber jetzt bin ich erwachsen und sehe die Realität etwas anders. Da Wünsche immer Wünsche bleiben, wünsche ich mir nichts, sondern hoffe, dass wir den Wert des Lebens besser schätzen lernen. Die Lebenszeit ist zu kurz um uns zu bekämpfen. Wem es gelingt sein Gegenüber als Bereicherung und nicht als Konkurrenz zu sehen, wird wunschlos glücklich sein.

 

Was wolltest du werden, als du klein warst?
So fast wie die meisten Jungs Polizist. Auch wollte ich in der Schulzeit einmal Anwalt werden. Mein Primarlehrer meinte, dafür reichen meine Noten nicht. Heute kann ich darüber lachen, aber diese Aussage hatte mich damals negativ geprägt.

Isabelle Dubois

Was hat sich in der Gleichstellungsarbeit in den letzten 12 Jahren verändert?
Die Gleichstellungsarbeit ist bunter geworden: Von Violett, der Gleichstellung von Frau und Mann, hin zum Regenbogen. Die Anliegen von LGBTIQ-Menschen werden gehört und die gesetzliche Gleichstellung ist auf dem Weg. Die Arbeit für Chancengleichheit ist aber auch selbstverständlicher geworden: Heute ist kaum noch bestritten, dass es Lohnunterschiede zwischen Frau und Mann gibt und wir tun etwas dagegen, z. B. mit Lohngleichheitsanalysen. Und schliesslich wurden Tabus gebrochen: #MeToo bringt Alltagssexismus und sexistische Übergriffe ins öffentliche Bewusstsein und ermöglicht uns Kampagnen wie «Kein Platz für Sexismus» oder eine Weiterbildung gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz für KMUs zu lancieren.    

Welche Momente haben dich bewegt?
Die Begegnungen anlässlich der Ausstellung «Willkommen zu Hause» im Alten Zeughaus Herisau, einer Sensibilisierungskampagne gegen häusliche Gewalt. 2019 das 20-Jahre-Jubiläum der Fachstelle Gleichstellung Frau und Mann mit dem Comic «Es Braucht Mut» erzählt von Lika Nüssli und Dario Forlin. Die 14. PLATTFORM-Veranstaltung im Sommer 2022, wo geflüchtete Menschen aus der Ukraine, ihre Gastfamilien und die Fachleute der Verwaltung im Zeughaus Teufen Informationen austauschten und das zivile- und professionelle Hilfsnetz Hand in Hand arbeitete.

Was war ein Schockmoment?
Als mit dem Austritt von Marianne Koller-Bohl 2017 aus dem Regierungsrat keine Frau mehr im Ausserrhoder Regierung vertreten war.

Was bleibt in guter Erinnerung?
Das «Lohnmobil», das der Bevölkerung spielerisch die Fakten zur Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern näherbrachte und eindrücklich aufzeigte, was die Konsequenzen sind, wenn wir keine gleichen Löhne fordern oder auszahlen. Die erste generationenübergreifende Bevölkerungsbefragung zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, das «Familienmonitoring Appenzell Ausserrhoden», das ein Grundstein legte für das neue Kinderbetreuungsgesetz. Die vielen Projekte und vielfältige Zusammenarbeit mit Weg- und Streitgefährt*innen, Kooperationspartner*innen und Kolleg*innen und insbesondere die gleichstellungspolitische Arbeit mit der Frauenzentrale Appenzellerland und dem ForumMann.

Was wünschst du dir für die Zukunft?
Es braucht Mut Ungleichheiten zu erkennen und zu benennen und es braucht mehr Taten statt Worte, um echte Chancengleichheit für alle Menschen zu ermöglichen: Die Forderungen des 14. Juni für «Lohn, Zeit und Respekt für alle Menschen» bringen es auf den Punkt.

Was willst du noch sagen?
Ich danke meinem Team für die grossartige Unterstützung und den einmaligen Teamspirit, ohne diesen alles gar nicht zu leisten gewesen wäre. Dankeschön für all die Glücksmomente.

Zusätzliche Informationen

Abteilung Chancengleichheit

Amt für Soziales
Kasernenstrasse 17
9102 Herisau
T: +41 71 353 64 26